1. Ausstellung
  2. Foyerausstellung Luise Erhard

LUISE ERHARD - Mehr als nur Kanzlergattin

Die meisten kennen ihren Ehemann, Ludwig Erhard, als ersten Bundeswirtschaftsminister und zweiten Kanzler der jungen Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg. Er gilt als Vater der Sozialen Marktwirtschaft und des deutschen Wirtschaftswunders. Doch Luise Erhard war weit mehr als nur die Frau an seiner Seite.

Luise Erhard entstammt einer alten Fürther Unternehmerfamilie, die viel Wert auf Bildung legt – in einer Zeit, als höhere Mädchenbildung noch keine Selbstverständlichkeit ist, geschweige denn ein Studium der Ökonomie als Zukunftsperspektive für Frauen gilt. Nach dem Tod ihres ersten Mannes entscheidet sich die junge Witwe und Mutter für ein Wirtschaftsstudium in Nürnberg, das sie mit kaufmännischem Diplom und Bestnoten abschließt. Einer ihrer Mitstudenten ist Ludwig Erhard – die beiden verlieben sich, heiraten und bekommen eine Tochter. Fortan stellt Luise eigene Ambitionen zurück und unterstützt
die Karriere Ludwigs als kluge Weggefährtin und Ratgeberin – mit eigenem Profil und eigenem Anspruch.

Die Foyer-Ausstellung im Neubau des Ludwig Erhard Zentrums ist von 1. Juli bis 14. September zu sehen. Der Eintritt ist frei. 

An folgenden Terminen werden öffentliche Führungen durch die Dauer- und Foyerausstellung angeboten (Dauer ca. 75 Minuten, Kosten: 2 € plus Eintritt):

Mi, 30. Juli 2025, 14.00 Uhr // So, 10. August 2025, 14 Uhr // Mi, 20. August 2025, 14.00 Uhr // So, 24. August 2025, 14 Uhr

Eine Voranmeldung ist nicht erforderlich. Die Teilnehmerzahl bei den Führungen ist jedoch begrenzt. Die Teilnahme erfolgt nach dem First-Come-First-Serve-Prinzip.

Hier können Sie einen Blick in die Inhalte der Ausstellung werfen:

KINDHEIT UND HERKUNFT

Luise (re., mit Eltern und Bruder) entstammt der alteingesessenen Fürther Familie Lotter, die sich als Lebküchner einen Namen gemacht haben. Sie wird am 18. April 1893 als Tochter von Regina Eleonore Stiegler und Johann Daniel Lotter geboren. Als die Herstellung von Lebkuchen um 1900 auf maschinelle Produktion umgestellt wird, wendet sich die Familie einem neuen Betätigungsfeld zu und gründet eine Ziegelei in Langenzenn. Die Lotters wohnen in Fürth in der Sternstraße Nr. 6 – direkt gegenüber dem Wohn- und Geschäftshaus der Erhards.

Ludwig und die vier Jahre ältere Luise kennen sich bereits aus Kindertagen, wobei Luise eng mit seiner älteren Schwester Rose befreundet ist. Die Mädchen sind 1893 geboren und gehen zusammen zur Schule. Im Zigarettenetui sind die Namen der beiden eingraviert. Luise, genannt Lu, ist ein selbstbewusstes, wissbegieriges Mädchen. Nach dem Besuch der Volksschule (1899–1902) geht Luise zunächst auf eine private höhere Mädchenschule, bevor sie ab 1907 die neu gegründete städtische höhere Mädchenschule – das heutige Helene-Lange-Gymnasium – besucht. 

Nach dem Examen am Ende der 11. Klasse absolviert Luise (li., re.: Rose Erhard) dort noch einen zweijährigen Frauenfortbildungskurs, der einige Lücken der vorherigen Lehrpläne füllt, aber nicht der Oberstufe des Jungengymnasiums entspricht. Eine höhere Schulbildung für Mädchen liegt um 1900 in Fürth, anders als in den Nachbarstädten Nürnberg und Erlangen, noch in rein privater Hand. Zwar wird bereits 1893 der Beschluss gefasst, eine städtische höhere Töchterschule zu schaffen, aber erst 1905 macht man sich an die Realisierung.

Ein neues, gut ausgestattetes Schulgebäude entsteht an der Tannenstraße. Im Herbst 1907 nimmt die Schule mit 358 Schülerinnen ihren Betrieb auf – eine von ihnen ist Luise. Auf dem Stundenplan der siebenklassigen, „konfessionell gemischten“ Schule stehen die Fächer Religion, Deutsch, Französisch, Englisch, Geschichte mit Bürgerkunde, Geographie, Naturgeschichte, Grundzüge von Physik und Chemie, Rechnen, Algebra, Raumlehre, Schönschreiben, Zeichnen, Gesang, Turnen, „weibliche Handarbeiten“ und Stenographie. Der Abschluss entspricht der Mittleren Reife.

Der Stundenplan offenbart den engeren Rahmen der Mädchenbildung Anfang des 20. Jahrhunderts, die stark durch gesellschaftliche Rollenvorstellungen geprägt ist. Während Jungen in Gymnasien auf Universitätsstudien und akademische Karrieren vorbereitet werden, vermitteln höhere Mädchenschulen vor allem eine „höhere Töchterbildung“: Literatur, Musik, Fremdsprachen und Haushaltsführung stehen im Vordergrund (Luise o. 2. v. li.).

Zwar erhalten Mädchen hier eine fundierte Schulbildung, doch das Ziel ist meist die Vorbereitung auf ihre Rolle als gebildete Ehefrau und Mutter – nicht auf ein eigenständiges Berufsleben. Erst ab 1903 dürfen Frauen in Bayern überhaupt regulär an Universitäten studieren. Trotz dieser Einschränkungen sind die höheren Mädchenschulen ein bedeutender Raum weiblicher Selbstentfaltung – und für viele Schülerinnen ein wichtiges Fenster zur Welt des Wissens und der Selbstbestimmung (Luise o. re.).

AUFBRUCH UND SELBSTBEHAUPTUNG

Bald nach dem Schulabschluss lernt Luise den promovierten Juristen Friedrich Schuster kennen. Nach der Heirat im April 1914 folgt Luise ihrem Mann nach Würzburg. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird Schuster eingezogen und fällt noch im selben Jahr an der Westfront. Luise ist schwanger und bringt im Mai 1915 Tochter Eleonore – genannt Lore – zur Welt. Die junge Witwe kehrt mit ihrem Baby zurück zu ihrer Mutter, die mittlerweile in Langenzenn lebt (Foto um 1916, Luise mit Lore, dahinter Rose Erhard).

Dort arbeitet Luise mit im elterlichen Betrieb, der Dampfziegelei „Lotter & Stiegler“. Im Herbst 1919 nimmt sie ein Studium an der neugegründeten Nürnberger Handelshochschule auf. Ihre Tochter lässt sie bei ihrer Mutter in Langenzenn; als Wohnadresse während ihres Studiums ist die Bayreuther Straße 29a in Nürnberg hinterlegt.

Ihre Diplomarbeit schreibt sie über „Die Ziegel-Industrie“, die ihr aus Familie und Arbeit bestens bekannt ist: von der Herkunft über die technischen Fortschritte, die für sie notwendigen Rohstoffe und Arbeitskräfte bis hin zur Entwicklung der Ziegeleien im Ersten Weltkrieg. Luises Diplomarbeit wird mit „Sehr gut“ bewertet.

Die Abschlussprüfungen absolviert Luise im Frühjahr 1922; die Prüfungsfächer sind Privatwirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Statistik und Wirtschaftsgeographie. Als Diplom-Kauffrau gehört sie zu den ersten Absolventinnen der Nürnberger Handelshochschule.

Mit dem kaufmännischen Diplom in der Tasche könnte sie sich noch intensiver in die familieneigene Ziegelei einbringen und irgendwann einmal die Nachfolge ihrer Mutter antreten, die seit dem Tod des Vaters die Ziegelei allein führt. Doch es kommt anders.

LU UND LULU

An der Handelshochschule trifft Luise den kleinen Bruder ihrer besten Freundin aus Kindertagen wieder – Ludwig Erhard. Die beiden machen ihr Examen gemeinsam und verlieben sich. Sie verloben sich 1923 in Langenzenn (Foto) und heiraten im gleichen Jahr. Das junge Ehepaar, das im privaten Kreis Lu und Lulu genannt wird, möchte gemeinsam an der Universität weiterstudieren und promovieren.

Zu diesem Zweck ziehen Lu und Lulu nach Frankfurt am Main, während die in die Ehe eingebrachte Tochter Lore von der Großmutter in Langenzenn betreut wird. Luise gibt jedoch nach wenigen Monaten auf und kehrt zu ihrer Tochter zurück, während ihr Mann 1925 seine Promotion absolviert. Das Ölgemälde „Blick auf Frankfurt“ von Ch. Zschoche hing im Kanzlerbungalow in Luises Schlafzimmer.

1926 wird die gemeinsame Tochter Elisabeth geboren. Fortan verzichtet Luise Erhard auf eine eigene Karriere und begleitet die berufliche und spätere politische Laufbahn ihres Mannes als Hausfrau und Mutter, aber auch als sachverständige und kluge Ratgeberin. Zunächst lebt die Familie weiter in Fürth. Das Foto zeigt Luise und Elisabeth auf der Terrasse des Hauses von Verwandten in der Forsthausstraße 49, wo die Familie von 1933 bis 1945 wohnt.

Ludwig wird 1925 von seinem Vater in die Geschäftsführung des elterlichen Textilgeschäfts berufen, das infolge der Hyperinflation ins Straucheln geraten war. Trotz intensiver Bemühungen Ludwigs muss das Geschäft schließlich Konkurs anmelden. Danach fasst er als Wirtschaftswissenschaftler Fuß und ist bis Ende des Zweiten Weltkriegs in verschiedenen Positionen der Marktforschung und Wirtschaftsberatung tätig. Große finanzielle Sprünge kann die Familie zunächst nicht machen. Die Familien Lotter und Erhard auf einer Familienfeier, 1935.

Die Situation ändert sich, als Ludwig nach Kriegsende mit Hilfe der Amerikaner in immer wichtigere Ämter aufsteigt. Im Herbst 1945 wird er bayerischer Staatsminister für Handel und Gewerbe und die Familie zieht nach München. Als Ludwig 1947 in die Bizonenverwaltung für Wirtschaft nach Frankfurt berufen wird, bleibt Luise im idyllischen Großhesselohe bei München. Hier fühlt sie sich wohl und betreibt eine Art „Salon“, in dem auch namhafte Künstler ein- und ausgehen. „Die Gambenspielerin“ (Franz Lenbach, Kunstdruck) brachte Luise mit in die Ehe.

IM SCHATTEN DER MACHT

Als Ludwig 1949 Wirtschaftsminister im Kabinett von Bundeskanzler Konrad Adenauer wird, geben die Erhards das Haus in München auf und ziehen nach Bonn. Sie bewohnen zunächst ein Übergangsquartier, bis 1951 schlichte, aber komfortable Reihenhäuser auf dem Bonner Venusberg fertig sind, die Bundespolitikern zu günstigen Mieten zur Verfügung gestellt werden. Zwölf Jahre leben Lu und Lulu hier in der Schleichstraße Nr. 8 in sechs Zimmern auf 200 Quadratmetern (Foto von 1954).

Während der Amtszeit Ludwigs als Bundeswirtschaftsminister führt Luise ein überwiegend nicht-öffentliches Leben. Sie hält ihrem Mann den Rücken frei und kümmert sich um die Familie – vor allem um die beiden Enkelinnen, hier mit Enkelkind Sabine und Tochter Lore in der Schleichstraße, um 1958.

Selbstverständlich obliegen der Frau des „Vaters des Wirtschaftswunders“ auch Repräsentationspflichten. Luise begleitet Ludwig auf politischen Reisen um die ganze Welt. Bei dieser Gelegenheit bekam sie – wie damals üblich – auch persönliche Geschenke. Das Ziergefäß aus Kupfer mit Achatsteinbesatz wurde ihr vom „Zentrum für Wellen und Räder“ in Taxco (Mexico) 1952 oder 1954 überreicht. Als Ludwig Erhard 1963 Bundeskanzler wird, rückt „First Lady“ Luise in den Fokus des öffentlichen Interesses.

Sie ist die erste Kanzler-Gattin der Bundesrepublik – zur Regierungszeit des verwitweten Altkanzlers Adenauer füllten dessen Töchter diese protokollarische Lücke.

In zeitgenössischen Spiegel-Artikeln wird Luise als „lebenstüchtige Dame und der stärkere Teil der Kanzler-Familie“ beschrieben. Betont werden ihr „energischer Konversationsgeist“ und ihre Kompetenz. Sie übernimmt Repräsentationspflichten und karitative Aufgaben. Mit „Hausdame“ Elisabeth Leutheusser-von Quistorp bereitet sie den Banketttisch im Bonner Kanzlerbungalow vor (Foto vom 27.8.1965).

Die Kanzlergattin wird noch vor dem offiziellen Amtsantritt ihres Mannes Schirmherrin des „Colloquiums der Damen im Colloquium humanum“, das nationale und internationale Begegnungen zwischen Frauen fördert. „Es ist das erste Mal, dass ich öffentlich spreche“, wird sie bei dieser Gelegenheit 1963 im Spiegel zitiert.

Trotz ihrer vielen Reisen, die sie im In- und Ausland unternimmt, zeigt Luise stets die Verbundenheit zu ihrer Heimatstadt. Als sie 1964 die Schirmherrschaft des Langenzenner Rangautages übernimmt, trägt sie sich in das Goldene Buch der Stadt ein und bringt ihre „enge Verbindung und die unvergessenen schönen Erinnerungen mit Langenzenn“ zum Ausdruck. Bürgermeister Willi Roßkopf (li.), Luises Bruder Paul (re.) und ihre Tochter Lore (2. v. l.) freuen sich über ihren Besuch (Stadtarchiv Langenzenn).

Akzente setzt Luise (li.) im Bereich der Architektur. In die Planungen für den Bau des Bonner Kanzlerbungalows bringt sie sich intensiv ein und erweist sich als geschickte Bauherrin und Innenarchitektin mit einer Vorliebe fürs Moderne. Im Kanzlerbungalow begrüßt sie Damen der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (Bundesregierung/Ludwig Wegmann). Auch moderne Kunst ist Luise nicht fremd.

Als Luise (mittig) sich eine Nachkriegs-Ausstellung der Städtischen Kunstsammlungen Bonn von Direktor Eberhard Marx zeigen lässt, schlussfolgert dieser: „Vor der abstrakten Malerei ist sie nicht zurückgeschreckt. Sie weiß in der Kunst Bescheid und interessiert sich für alles. Sie kennt auch eine große Anzahl der Künstler und ist sehr aufgeschlossen.“ Sie fördert unter anderem die „Galerie Pro“ von Johannes Wasmuth, der gespendete Kunstwerke verkauft und die Erlöse seiner Fördergemeinschaft „Kinder in Not“ zuführt.

Luise und Ludwig Erhard begrüßen 1965 das britische Königspaar in Bonn, hier vor dem Palais Schaumburg. Die Frau von Ludwig Erhard zu sein, bedeutet, sich seinem Terminplan und Tagesablauf bedingungslos anzupassen.

Die häufigen Wartezeiten überbrückt Luise manchmal mit dem Legen von Patiencen. Auch Skat wird im Hause Erhard gerne gespielt. Neben dem Kartenspielen gilt Luises Leidenschaft dem Kochen und Backen – in ihrer Küche verbindet sich Genuss mit Fürsorge und Traditionsbewusstsein.

Trotz der Unterstützung durch Hauspersonal wie hier in der Schleichstraße im Sommer 1963 und einer eigenen Köchin bereitet sie Speisen selbst zu, sofern es ihre Zeit erlaubt oder die Anlässe besonders sind. Den Teig für die Weihnachtsstollen knetet und formt sie auch im Kanzlerbungalow stets selbst.

LEBENSABEND

Nach dem Ende der politischen Karriere Ludwig Erhards als Kanzler und seinem Rücktritt am 1. Dezember 1966 räumen Ludwig und Luise Anfang 1967 den Kanzlerbungalow für Kurt-Georg Kiesinger. Luise zieht sich aus Bonn zurück, ihr Altersruhesitz wird Gmund am Tegernsee. Ludwig ist als Bundestagsabgeordneter und Ehrenvorsitzender der CDU nach wie vor häufig in der Hauptstadt. Der Tegernsee ist schon lange ein Erholungsort für die Erhards – Luises Familie besitzt dort ein Ferienhaus, Foto vor einem Bauernhaus in Gmund im Mai 1953.

Als Ludwig Erhard Wirtschaftsminister wird, möchte die Familie etwas Eigenes. Luise erwirbt Anfang der 50er-Jahre ein Grundstück am Ackerberg mit einem herrlichen Panoramablick über den See. Der später berühmt gewordene Architekt Sep Ruf hat hier vier Bungalows geplant und genehmigen lassen. Einen der vier kauft Luise Erhard. Die Bebauung mit einem modernen Flachdachbau und großen Glasflächen polarisiert. Als zu modern und unpassend zur alpenländischen Landschaft und dem traditionellen Baustil empfinden ihn viele.

Mit ihrem Haus, das Ludwig Erhard in einer „Schoener Wohnen“-Ausgabe von 1960 als „Familienhaus“ bezeichnet, führen Lu und Lulu der Öffentlichkeit ihre moderne Lebensweise und Wohnform vor; die moderne Architektur erhält auch Vorbildfunktion. Luise und Ludwig mit ihren Enkelinnen auf der Terrasse ihres „Familienhauses“ in Gmund.

Luise Erhard stirbt am 9. Juli 1975, nachdem sie sich von einer Grippeerkrankung nicht mehr erholt. Rund 800 Menschen erweisen ihr bei ihrem Begräbnis auf dem Gmunder Bergfriedhof die letzte Ehre. 

Was bleibt, ist die Erinnerung an eine Frau, deren Lebensweg exemplarisch für viele ihrer Zeit steht: gebildet, engagiert, doch oft in der Öffentlichkeit nicht genügend wahrgenommen.