Ludwig Erhard ist im kollektiven Gedächtnis als „Vater der Sozialen Marktwirtschaft und des deutschen Wirtschaftswunders“ tief verwurzelt. 1897 im fränkischen Fürth geboren, hat er als Bundeswirtschaftsminister unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung maßgeblich mitgestaltet. 70 Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist einer ihrer wesentlichen Gründerväter keineswegs „von gestern“. Ludwig Erhards Ideen sind zeitlos und bieten prägnante Lösungsansätze für die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen unserer Gegenwart und Zukunft.
Am 4. Februar 1897 kommt Ludwig Erhard als zweites von vier Kindern des katholischen Wilhelm Philipp Erhard und seiner evangelischen Frau Augusta, geborene Hassold, in Fürth zur Welt. Alle Kinder werden evangelisch getauft. Die Familie Erhard führt ein erfolgreiches Geschäft für Weiß- und Wollwaren, Stoffe und Maßgeschneidertes. In Fürth besucht der junge Ludwig, der von einer Erkrankung an Kinderlähmung einen deformierten rechten Fuß zurückbehalten hat, die Volks- und Realschule. Seine Lehre zum Einzelhandelskaufmann in Nürnberg schließt er 1916 ab. Im gleichen Jahr meldet sich Erhard trotz seiner Behinderung freiwillig zur kämpfenden Truppe. Als Richtkanonier des 22. Kgl. Bayerischen Feldartillerieregiments wird er 1918 bei Ypern in Flandern schwer verwundet. 1919 scheidet er als Unteroffizier und Offiziersaspirant aus dem Militärdienst aus.
Im Dezember 1923 heiratet Ludwig Erhard die vier Jahre ältere Volkswirtin Luise Schuster (1893–1975), geborene Lotter. Die Kriegswitwe bringt eine Tochter, Lore, in die Ehe. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter, Elisabeth.
Feriendomizil und Rückzugsort der Familie ist das Haus in Gmund am Tegernsee. Hier findet Ludwig Erhard seine letzte Ruhe, nachdem er am 5. Mai 1977 an Herzversagen in Bonn stirbt. Nach einem Staatsakt am 11. Mai 1977 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages wird er am 12. Mai auf dem Bergfriedhof in Gmund beigesetzt.
Von 1919 bis 1922 studiert Ludwig Erhard an der Handelshochschule Nürnberg; er beendet das Studium mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann. Er hängt ein Studium der Betriebswirtschaft, Nationalökonomie und Soziologie an der Universität Frankfurt am Main an und promoviert im Dezember 1925 bei Franz Oppenheimer über „Wesen und Inhalt der Werteinheit“ zum Dr. rer. pol.
Von 1925 bis 1928 arbeitet er zunächst als Geschäftsführer im elterlichen Betrieb, bevor er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware an der Handelshochschule in Nürnberg wird. Dort organisiert Erhard 1935 das erste Marketing-Seminar Deutschlands. Er bleibt bis 1942 an der Hochschule, später in der Funktion als stellvertretender Leiter des Instituts.
Mit dem „Institut für Industrieforschung“ gründet er 1942 ein eigenes Institut für Konsumforschung. Im Auftrag der Reichsgruppe Industrie beschäftigt er sich trotz entsprechendem Verbot Hitlers mit der ökonomischen Nachkriegsplanung. 1944 stellt er seine Denkschrift „Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung“ fertig. Inhalt sind Überlegungen zum Neuaufbau der Wirtschaft nach dem Krieg.
Nach dem Krieg nimmt die politische Karriere des parteilosen Wirtschaftsfachmanns Erhard rasch Fahrt auf: Aus seinem Posten als Wirtschaftsreferent seiner Heimatstadt Fürth wird er schon nach wenigen Monaten im Oktober 1945 von der amerikanischen Militärregierung in die von Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) geführte Bayerische Staatsregierung berufen – als „Staatsminister für Wirtschaft“. 1947 wird Erhard mit der Leitung der Expertenkommission „Sonderstelle Geld und Kredit“ bei der Verwaltung der Finanzen der britisch-amerikanischen Bizone betraut, die an der Vorbereitung der Währungsreform beratend mitwirken soll. Außerdem wird er durch den bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus im November 1947 zum Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität München ernannt.
Auf Vorschlag der FDP wählt der Wirtschaftsrat der Bizone am 2. März 1948 Ludwig Erhard zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft und überträgt ihm damit die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik. Mit seinem „Leitsätzegesetz“ lässt er sich vom Wirtschaftsrat bevollmächtigen, parallel zur Einführung der D-Mark die Zwangsbewirtschaftung aufzuheben und die Preise freizugeben – eine mutige Weichenstellung, die als grundlegend für das spätere „Wirtschaftswunder“ gilt. Doch zunächst ist seine Wirtschaftspolitik heftig umstritten: Die Reformen führen zu hohen Preissteigerungen, was am 12. November 1948 einen Generalstreik der Gewerkschaften auslöst. Erst das einsetzende Wirtschaftswachstum Anfang der 50er Jahre bestätigt seinen Kurs.
Ludwig Erhard, der Mann mit der Zigarre, gilt als „Vater des deutschen Wirtschaftswunders“. Insgesamt 28 Jahre – von 1949 bis 1977 – sitzt er für die CDU im Deutschen Bundestag.
Als Wirtschaftsminister in Adenauers Kabinett prägt er über dreieinhalb Wahlperioden hinweg (1949 – 1963) den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands. Das geht nicht ohne harte Auseinandersetzungen mit Konrad Adenauer, der Erhard immer wieder auch öffentlich kritisiert. Erbitterter Streitpunkt ist die Einführung einer umlagefinanzierten, dynamischen Rente, die Adenauer 1957 trotz der Warnungen seines Wirtschaftsministers und des Finanzministers Fritz Schäffer (CSU) durchsetzt. Dennoch bleibt Erhard Bundeswirtschaftsminister und wird 1957 von Adenauer sogar zum Vizekanzler ernannt. Seinen Vorschlag, als Nachfolger von Theodor Heuss 1959 Bundespräsident zu werden, weist Erhard jedoch zurück.
In seine Zeit als Bundeswirtschaftsminister fallen auch bekannte Publikationen Erhards wie das Buch „Deutschlands Rückkehr zum Weltmarkt“ (1953), die programmatische Schrift „Wohlstand für alle“ (1957) sowie das Buch „Deutsche Wirtschaftspolitik“ (1962).
Gegen den Willen und das Votum Adenauers nominiert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im April 1963 Ludwig Erhard zum Kanzlerkandidaten. Nach Adenauers Rücktritt im Oktober wird er Bundeskanzler. Erhard vertritt eine Politik der Mitte und der Verständigung. Er orientiert sich dabei stärker an der Allianz mit den USA als an einer Partnerschaft mit dem Frankreich de Gaulles.
Konrad Adenauer bleibt sein Gegner innerhalb der Partei, aber auch andere Unionspolitiker drängen nach vorn und kritisieren hinter den Kulissen seinen kollegialen Führungsstil. Trotz des großen Wahlerfolgs der CDU/CSU 1965 auf Bundesebene – die Union verfehlt die absolute Mehrheit nur knapp – und seiner Wiederwahl als Bundeskanzler gelingt es Erhard immer weniger, seine Linie durchzusetzen, obwohl er 1966 noch zum CDU-Vorsitzenden gewählt wird. In Folge einer einsetzenden Rezession erleidet die CDU herbe Verluste bei mehreren Landtagswahlen. Erhards Reputation als Wirtschaftsfachmann scheint angeschlagen. Im Oktober 1966 treten die Minister des Koalitionspartners FDP, angeführt von Walter Scheel, aus Protest gegen geplante Steuererhöhungen zurück. Für wenige Wochen amtiert Erhard als Kanzler eines Minderheitskabinetts.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nominiert Kurt Georg Kiesinger zum Kanzlerkandidaten. Am 1. Dezember 1966 tritt Ludwig Erhard als Bundeskanzler zurück, 1967 auch als CDU-Vorsitzender. Sein Nachfolger in beiden Ämtern wird Kiesinger, der in einer Koalition mit der SPD regiert, der ersten Großen Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik.
Nach seiner Zeit als Bundeskanzler gehört Ludwig Erhard dem Deutschen Bundestag noch weitere elf Jahre als Abgeordneter an. 1967 gründete er die Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., um seine Prinzipien in Wirtschaft und Gesellschaft dauerhaft zu verankern.
An seinem 80. Geburtstag im Februar 1977 wird Ludwig Erhard als „Vater des deutschen Wirtschaftswunders“ mit zahlreichen Ehrungen bedacht. Am 5. Mai 1977 stirbt Ludwig Erhard. Nach einem Staatsakt am 11. Mai 1977 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages wird er am 12. Mai auf dem Bergfriedhof in Gmund beigesetzt.